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So war’s

Ich bin erst mit 7 Jahren eingeschult worden. Bis zum 9. Lebensjahr war meine Mutti zu Hause. Dann erst bemühte sie sich stunden-oder tageweise um Arbeit und fand diese bei Fußball-TOTO, einen Tag in der Woche, das war immer montags, als Wettscheine- Auswerterin. Mit Beendigung dieser Tätigkeit ging sie mit noch 2 Bekanntinnen aus unserer Straße, 2 Tage wöchentlich, zum Museum für Deutsche Geschichte, ins alte Zeughaus, Unter den Linden, als Ausstellungs- Wärterin und Erklärerin und als man sie da nicht mehr benötigte, machte sie organisatorische Arbeiten im Büro des FDGB- Bundesvorstandes für internationale Verbindungen. Dorthin ging sie auch 2 Tage in der Woche und wenn viel Arbeit anlag, dann wurden auch mal 3 Tage draus.

Diese bezahlten Kleinstverdienst-Beschäftigungen, waren ein Zubrot zum Gehalt meines Vaters. Als ich 14 Jahre war, hörte meine Mutter damit auf. Da war sie schon 61 Jahre und Rentnerin. Mein Vater arbeitete bis zu seinem 70. Geburtstag, aber vom 65. Lebensjahr an, nur 3 Tage die Woche, das hieß, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag.

Zur Erklärung:   In der DDR bekamen die Frauen mit 60 Jahren ihre Altersrente und die Männer wurden erst mit 65 Jahren Rentner.

Wenn’s mal zeitlich nicht klappte, daß Mutti nach der Schulzeit nicht daheim sein konnte, dann hatte ich immer die Möglichkeit, im Hause in der 3. Etage zu klingeln. Aber ich konnte mich auch 3 Häusereingänge weiter parterre melden.

In unserem Hause oben, wohnten Tante Hertha und Onkel Paul, für mich als Kind damals als ein  älteres Ehepaar wahrgenommen und die kinderlos waren. Die Tante Hertha hatte eine schlaffe, gequetschte und gefühllose Hand und wollte nicht, daß ich sie berühre, anfasse. Diese beiden Menschen, waren immer sehr lieb zu mir und besorgt um mich. Sie hatten auch einen Garten und nahmen mich oft mit dorthin.

Der Onkel Paul versuchte mit mir Schach zu spielen, aber ich spielte lieber mit der Porzellan- Puppenfigur, die sehr groß war und immer unten im Standspiegel-Regal stand. Zu den beiden Schuberts bin ich schon als 4-Jährige gern gegangen.

Tante Hertha spielte viel >Domino< mit mir und >Schwarzer Peter<-Kartenspiel und >Mikado< oder >Mensch ärgere dich nicht<. Ihr Lieblingsspiel war >Halma<. Alle diese Spiele lernt ich von ihr. Auch Essen bekam ich von ihnen, wenns notwendig war.

Einmal waren Mutti und ich gleichzeitig krank mit hohem Fieber und bettlägerig, da war Tante Hertha täglich bei uns und versorgte uns wie eine Krankenschwester, mit Medizin und Mahlzeiten, denn Vater war ja arbeiten.

Dann konnte ich zu Familie Horstmann kommen, die 3 Häuser weiter mit ihrer alten Mutter in der 2-Zimmerwohnung lebten.  Das Ehepaar hatte im 2. Weltkrieg ihren Sohn verloren und freuten sich, wenn ich mal zu Besuch kam. Besonders freute sich die Omi, der ich auch immer auf der Mundharmonika vorspielte. Ihr Zimmer lag zur Straße raus und so konnte sie mir auch stets beim Rollschuhlaufen zuschauen. Nur laufen konnte die Omi nicht und deshalb saß sie immer am Fenster. Ich hielt mich aber nie lange in ihrem Zimmer auf, denn Horstmanns wollten das nicht. Bis zu 2 Std wurde ich manchmal auch von ihnen betreut, daß ich nicht allein zu Hause sein mußte, bis Mutti wieder da ist. Tante Horstmann ging sehr oft und lange ins Zimmer der Omi und ich saß dann mit Onkel Horstmann am Tisch im Zimmer zum Hof, was auch heller war, das hatte nicht so düstere Möbel und so ein großes, dunkles Bett wie im Zimmer der Omi.

Eines Tages griff mir der Onkel mehrmals zwischen die Beine. Mein Herz schlug wild und ich sprang auf. Die Tante kam kurz danach ins Zimmer und sah mich verwundert an und fragte mich, als sie mich in so einer Aufbruchstimmung sah, ob ich nach Hause gehen will. Meine Mutti wäre noch nicht da, sagte die Tante, aber ich nahm meine Schulmappe und ging. Schuberts waren nicht zu Hause, also ging ich auf der Straße auf und ab. Ich brauchte ja nur noch 1/2 Std zu warten. Ich war da schon 12 Jahre. Als die Mutti kam, staunte sie, daß ich schon vor der Haustür stand.

Ab diesem Zeitpunkt betrat ich nie wieder die Wohnung der Horstmanns.  Meinen Eltern erzählte ich nichts, nur wunderte sich meine Mutter, daß ich nicht mehr dort hin wollte. Meine Mutti war mit der Frau Horstmann schon lange und gut befreundet und ging auch zusammen mit ihr arbeiten. Da wollte ich keinen Ärger zwischen den beiden schüren und ich war auch weiterhin freundlich zu ihr. Ein eventuellen zweiten Übergriff  ihres Mannes konnte ich ja so am besten verhindern.  So bin ich dann nur noch zu den lieben Schuberts und das immer gern.

7 Kommentare zu “So war’s

  1. Liebe Brigitte,
    das ist eine böse Erfahrung, glaube ich.
    Du hast aber – trotz Deiner Jugend – toll reagiert.
    Liebe Grüße
    irmi

  2. Hallo liebe Brigitte,

    diese Geschichte, sowie auch die anderen aus der Kategorie Erinnerungen würde ich auch gerne gesammelt in einem Buch lesen und in meiner Bibliothek haben.
    Viel Erfolg beim weiteren Schreiben

    Viele liebe Grüsse
    Katalin

  3. Hallo liebe Brigitte,
    du solltest deine gesammelten Erinnerungen wirklich in einem Buch zusammenfassen. Dein Erlebnis macht einen sehr nachdenklich, auch deine Reaktion, nichts weiter zu erzählen. Klar, du hast die Leute dann gemieden, aber besser wäre es meiner Meinugn doch gewesen, wenn du mit deinen Eltern darüber gesprochen hättest.
    Lieben Gruß
    Elke

  4. Liebe Brigitte,
    wir waren in einem Alter von 12 Jahren ja wirklich noch Kinder , die von Sexualität und vor allem von Pädophilie überhaupt keine Ahnung hatten. Das im Vergleich zu den heutigen 12jährigen, die schon sehr früh darauf hingewiesen werden. Umsomehr erstaunt mich deine “ gute “ Reaktion auf den Vorfall mit dem “ lieben Onkel “ denn die sind es meistens , die kleine Mädchen missbrauchen.

    Auch ich stehe auf dem Standpunkt, es gleich danach mit den Eltern oder zumindest mit der Mutter zu besprechen, aber wie hätte man “ damals in der ehemaligen DDR “ aber auch in der BRD , darauf reagiert?

    Du hast es deiner Mama zuliebe verschwiegen, weil sie mit der Frau befreundet war. Hätte man sie zu dieser Offenbarung , du, deine Mama und sie , hinzugezogen hätte das der Freundschaft vielleicht nicht geschadet, man weiß es nicht. Wenn ja, du warst deiner Mutter wichtiger als diese Frau.

    Was alles hätte passieren können, wenn du nicht soooo reagiert hättest und weiter dort hingegangen wärst. Der Mann wäre auch weiter gegangen und hätte dich so unter Druck gesetzt , ja nichts zu erzählen , sonst…….. SO IST ES DOCH!

    WAS HÄTTE DAS AN DIR FÜR EINEN SCHADEN SEELISCHEN ANRICHTEN KÖNNEN ?!

    Du hast dich sehr gut verhalten, Brigitte, aber leider nicht so ganz richtig , indem du es verschwiegen hast. Bitte, betrachte es nicht als Vorwurf, soll es nicht sein. Jedes Kind soll , wenn es in diese Situation gelangt, mit den Eltern darüber reden oder mit der Mutter, sollte der Täter der eigene Vater sein, auch das kommt nicht selten vor.

    Dir wünsche ich noch einen angenehmen Tag.
    Liebe Grüße, Anke

  5. Liebe Brigitte, sind das wieder schöne Kindheitserinnerungen. Bis zu dem Punkt … Ja, Du warst doch noch ein Kind. Ich bewundere Deinen Mut und Deinen Entschluss, der Mutter nichts zu sagen. Aber so sind Kinder. Möchten der eigenen Mutter doch keinen Ärger bereiten. Hast Du das jemals später Deiner Mam erzählt?
    Sei herzlich gegrüßt von Kerstin.

  6. Guten Abend Brigitte,

    Deine Erfahrung haben leider viele Kinder machen müssen und auch heute geschieht das immer noch täglich. Deine Reaktion war damals sehr vernüftig, allerdings nur wenn man die bedenkt wie in dieser Zeit mit sexuellen Übergriffen auf Kinder umgegangen wurde. Heute gibt es zu solchen Dingen nur noch eine einzige, richtige Verhaltensweise: zur Polizei gehen und Anzeige erstatten!!!
    Niemand hat das Recht die sexuelle Integrität von Menschen, erst recht nicht von Kindern zu verletzen!!!
    Ich hoffe, dass meiner Emma soetwas auf jeden Fall erspart bleibt, sonst wüßte ich nicht, was ich mit dem Typen tue!
    Micha – der Brotbaecker

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