Schreck in der Morgenstunde
Es war Ende Januar 1967, morgens um 4.40 Uhr auf dem Weg zum Dienst in die Diätküche vom Kinderkrankenhaus. Kalt wars, dunkel, der Gehsteig war durch den festgetretenem Schnee auch sehr glatt. Ich befand mich am Ende der Eitelstraße, bevor diese mit einer kleinen Linkskurve am hinterem Ausgang des Bahnsteiges, in die ansteigende Wendlandstraße überging. Da befand sich unter den Gleisen ein kleiner Tunnel, damit man auch von dort aus auf den Bahnsteig kommen konnte. Die parallel verlaufende Wendlandstraße führte nur eine Bahnsteiglänge hoch, bis zum Bahnhofsgebäude an der Lichtenberger Brücke.
Am Beginn der kleinen Linkskurve kam mir ein Trabant entgegengefahren, der dann kurz darauf , nachdem mich die Autoscheinwerfer an meiner ganzen rechten Körperseite kurz erhellten, nur unweit von mir entfernt, etwas später anhielt. Ich lief weiter, aber dann spürte ich schnelle Schritte hinter mir und dicht links neben mir wurde ich von dem Autofahrer-Mann bedrängt und gleichzeitig griff er mir von hinten unter den Rock und seine Hand mit dem Arm reichte fast bis zum Bauchnabel hoch.
Der Mann war nur 1/2 Kopf größer als ich, war schlank und trug einen dunklen Anzug und hatte einen Hut auf. So konnte ich mich zur Wehr setzen und schlug ihm heftig meine Handtasche um die Ohren. Er fiel dabei hin, rappelte sich aber wieder langsam auf und wollte einen zweiten Versuch starten, aber der wurde auch von mir unterbunden und somit konnte ich den Mann in die Flucht schlagen.
Da war ich dann schon am Tunneleingang zum Bahnsteig, aber durch den Tunnel zu laufen, um evtl Leute, Fahrgäste auf dem Bahnsteig anzutreffen, daß ich nicht alleine bin, dazu war es noch zu früh und im Tunnel wäre ich ihm ganz und gar ausgeliefert gewesen.
Etwas außer Atem und ziemlich erregt, bin ich danach die ansteigende Straße zum Bahnhofsgebäude hochgelaufen und erwartete meinen älteren Kollegen, der dort täglich mit der S-Bahn ankam und wir dann gemeinsam weiter den Weg zur Arbeit liefen.
Mein Kollege bemerkte meine nervliche Aufgeregtheit und ich erst beim Umziehen von der Straßen-zur Dienstkleidung, daß bei mir der Rock bis zum Po aufgerissen war und ich wunderte mich, daß ich beim Laufen fror.
Ich tat meine Arbeit, erzählte aber meiner Kollegin das morgendliche Geschehen und als ich nach Hause kam fing ich beim Berichten bei meinen Eltern auch an zu weinen. Da löste sich wohl meine Anspannung.
Seit diesem Erlebnis bin ich nur noch mit einer Hand in der Jacken- oder Manteltasche morgens zum Dienst gelaufen und hielt in der offenen Hand eine Tüte Pfeffer mit Salz, falls mir nochmal Jemand zu nahe gekommen wäre, dann hätte ich zu meiner Verteidigung aus der hohlen Hand die offene Pfeffertüte mit Schwung von unten nach oben in die Augen streuen können. Aber auch das hatte ich nur in der dunklen Jahreszeit eine gewisse Zeit gemacht.
Der Trabi-Fahrer erkannt mich ja auch eindeutig als junge Frau, denn ich trug ein Winter-Kamelhaar-Wollkostüm mit einem normal engem, aber handbreit über dem Knie den Rock, denn es war Minimode angesagt, mit einer bis zu den Oberschenkeln reichenden Jacke mit Pelzkragen und dazu die braunen Stiefel bis zum Knie. Heute trage ich nur noch Hosen.
10 Kommentare zu “Schreck in der Morgenstunde”
Liebe Brigitte,
boah, du hast ganz schön viel erlebt. Vor allen Dingen auch unschöne Begebenheiten.
Liebe Grüße
Irmi
Du hast ja tolle Erlebnisse, Brigitte. Aber das gibt es auch anders herum.
Nach dem Krieg ist es mir sogar mehrmals passiert, dass ich in der überfüllten Hamburger Strassenbahn plötzlich eine Hand zwischen meinen Beinen fühlte. Es waren aber fast immer ältere Frauen, die mir nicht nur zulächelten, sondern mich aufforderten mit ihnen zu gehen. Ich war damals gerade erst 13 bzw. 14 Jahre alt und hatte eine heiden Angst. Logischerweise bin ich nicht mit ihnen ausgestiegen. Einmal was es sogar die gleiche Frau.
Heute denke ich, ob es wohl nach dem Krieg an der Männerknappheit lag?
Hallo Brigitte,
puuuh das ist ja heftig! Was für ein Erlebnis.
Wie gut, dass Du Dich zur Wehr setzen konntest, ich könnte mir vorstellen, dass manche in einer solchen Situation einfach „einfrieren“.
Klar dass sich später die Anspannung löste und Du weinen musstest.
Einen schönen Tag wünsche ich Dir, liebe Grüße
Katinka
Ganz ganz furchtbar! Du hast wirklich nochmal Glück im Unglück gehabt.
Solche Erlebnisse prägen für’s Leben…ich spreche da aus schrecklicher Erfahrung.
LG aus Stetten a.H.
Ute
Liebe Brigitte,
schade, dass du den Pfeffer nicht dabei hattest. Pfeffer in den Augen ist nicht lustig, das hätte er aber verdient. Aber du hast dich zum Glück wehren können und alles ist gut ausgegangen.
Schöne Grüße nach Berlin
Traudi
Oh Gott Brigitte, was hast Du denn alles erlebt! Bloß gut, dass es nicht zum Schlimmsten gekommen ist.
Ich bin ein einziges Mal furchtbar erschrocken. Da war ich in der Lehre, 17 ungefähr. Frühs zum Bus musste ich immer ein kleines Stück durch einen Wald, links wohnten Leute und rechts war das Betonwerk hinter einer Mauer. Es war finster und mir kam ein großer kräftiger Mann schweren Schrittes entgegen. Damals waren ja noch die Russen da und ich dachte, was machst Du jetzt. Und dann – war es mein Vater, er kam von der Nachtschicht 😀
Liebe Grüße von Kerstin.
eine schreckliche geschichte, wie ich reagierte hätte, keine ahnung.
im nachhinein kann ich nur von glück sprechen, allerdings auf einsamen strecken fuhren wir immer zusammen mit dem rad.
einmal allein mit dem auto kam ich in eine blöde situation, spät am abend auf schmaler, einsamer strasse stand in einer kurve ein auto und ich sah auch gestalten sich aussen bewegen, sofort gebremst, alle türknöpfe runter und aufgeblendet.
es wurde unwillig gewunken und ich bin mit viel zuviel gas auf dem grün vorbei, tief durchgeatmet und weg.
danach bin ich in der nacht kurze zeit mit hut gefahren 🙄
liebe grüsse
kelly
Liebe Brigitte,
da hast Du eine sehr unliebsame Begegnung gehabt, aber auch gut reagiert!! Mich hat aber auch der Kommentar von Karl-Heinz erschreckt. Es ist schon heftig, was Kindern und Jugendlichen so alles passiert ist und immer noch passiert – und nicht jeder reagiert leider so resolut wie Du 😥
Zu Deinem aktuellen Beitrag: Ich muss auch mal wieder eine Augeninnendruckmessung machen lassen, dazu muss ich ja zum Augenarzt. Eine neue Brille habe ich mir bereits beim Optiker anmessen und machen lassen.
Hab einen schönen Herbsttag,
wünscht Dir Irmgard
P. S. Ich meinte natürlich auch: … was auch Frauen passiert.
Liebe Brigitte,
diesen Bericht von dir lese ich erst jetzt .. puh – das muss ja schrecklich gewesen sein!! gut, daß du dich zur Wehr setzen konntest und den Typen abschütteln.
So etwas bleibt leider unvergessen und prägt bestimmt auch ein bisschen ..könnte mir vorstellen, daß eine gewisse „Grund-Sicherheit“ vom Gefühl her dann verlorengeht.
Hosen ..ich fühl mich in ihnen viel „sicherer“ ..trage ziemlich ungern Röcke.
In der Schule als Kind hatte ich ein ähnliches Erlebnis mit älteren Mitschülern – allerdings obwohl ich Hosen trug – die ließen sich davon nicht abhalten …
Ganz viele liebe Grüsse zu dir .. hab ein gutes und entspanntes Wochenende,
Ocean
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